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Viele Menschen suchen noch nach den alten Pflegestufen 1, 2 und 3 – doch seit 2017 gilt in Deutschland ein neues System: die Pflegegrade 1 bis 5. Dieser Blogbeitrag erklärt ausführlich, warum es zu dieser Umstellung kam, welche Leistungen heute in den einzelnen Pflegegraden möglich sind, wie der Medizinische Dienst (MD, früher MDK) arbeitet und wie sich die Pflegebedürftigen in Deutschland nach Pflegegraden verteilen.

Von Pflegestufe zu Pflegegrad

Bis Ende 2016 galt in Deutschland das System der Pflegestufen 1, 2 und 3. Die Einstufung orientierte sich stark an der benötigten Zeit für körperliche Pflege – häufig mussten Gutachter minutengenau abschätzen, wie lange z. B. das Waschen oder Anziehen dauerte. Ein großes Problem: Menschen mit Demenz oder psychischen Erkrankungen fielen oft durch das Raster, weil sie nicht unbedingt viel körperliche Hilfe brauchten, aber dennoch dauerhaft auf Unterstützung angewiesen waren.

Mit dem Zweiten Pflegestärkungsgesetz (PSG II) wurde daher das System der Pflegegrade eingeführt. Seit dem 1. Januar 2017 wird die Selbstständigkeit in sechs Lebensbereichen bewertet – Mobilität, kognitive Fähigkeiten, Verhalten, Selbstversorgung, Umgang mit Krankheiten sowie Alltag & soziale Kontakte. Das Ergebnis ist eine Punktzahl von 0 bis 100, die dann zu Pflegegrad 1, 2, 3, 4 oder 5 führt.

Zur Orientierung: Wer früher Pflegestufe 1 hatte, wurde in der Regel in Pflegegrad 2 übergeleitet, Pflegestufe 2 entspricht heute Pflegegrad 3 und Pflegestufe 3 entspricht Pflegegrad 4. Wer zusätzlich eine anerkannte Demenz hatte, wurde automatisch in den nächsthöheren Pflegegrad eingestuft.

Die Rolle des Medizinischen Dienstes (MD, früher MDK)

Nach Antragstellung bei der Pflegekasse prüft der Medizinische Dienst (MD) den Hilfebedarf. Dies geschieht in Form einer Begutachtung zu Hause oder per Video. Dabei werden nicht mehr Pflegeminuten gestoppt, sondern die Selbstständigkeit bewertet. Jede Einschränkung wird in Punkten erfasst – am Ende ergibt sich eine Gesamtpunktzahl, die den Pflegegrad bestimmt. Für privat Versicherte übernimmt die Medicproof GmbH diese Aufgabe.

Wie läuft die Begutachtung ab? – Die Einstufung in einen Pflegegrad erfolgt nach dem Neuen Begutachtungsassessment (NBA). Dabei werden keine „Pflegeminuten“ mehr gezählt, sondern die Selbstständigkeit einer Person in sechs Lebensbereichen bewertet – darunter Mobilität, kognitive und kommunikative Fähigkeiten, Verhalten und psychische Problemlagen, Selbstversorgung, Umgang mit krankheitsbedingten Anforderungen sowie Gestaltung des Alltags.

Aus den einzelnen Bereichen ergibt sich eine Gesamtpunktzahl, die den Pflegegrad bestimmt:

  • Pflegegrad 1: 12,5–<27 Punkte (geringe Beeinträchtigungen)
  • Pflegegrad 2: 27–<47,5 Punkte (erhebliche Beeinträchtigungen)
  • Pflegegrad 3: 47,5–<70 Punkte (schwere Beeinträchtigungen)
  • Pflegegrad 4: 70–<90 Punkte (schwerste Beeinträchtigungen)
  • Pflegegrad 5: 90–100 Punkte (schwerste Beeinträchtigungen mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung)

Zwei Praxisbeispiele zur Veranschaulichung

Beispiel 1 – Pflegegrad 2

Herr M. kann sich in der Wohnung noch selbstständig bewegen, braucht aber Hilfe beim Duschen, Ankleiden und Einkaufen. Er vergisst häufig Termine und benötigt Unterstützung beim Umgang mit Medikamenten. In der Begutachtung erreicht er 32 Punkte.

Ergebnis: Pflegegrad 2 – Anspruch auf Pflegegeld oder Pflegesachleistungen in erheblichem Umfang.

Beispiel 2 – Pflegegrad 4

Frau S. leidet nach einem Schlaganfall an einer halbseitigen Lähmung. Sie ist auf den Rollstuhl angewiesen, benötigt mehrmals täglich Hilfe bei der Körperpflege, beim Essen und beim Transfer vom Bett in den Rollstuhl. In fast allen Modulen zeigt sich eine stark eingeschränkte Selbstständigkeit. Ihr Punktwert liegt bei 75.

Ergebnis: Pflegegrad 4 – Anspruch auf umfangreiche Pflegesachleistungen oder Pflegegeld, ggf. auch kombinierte Leistungen.

Aktuelle Leistungen 2025

Die Leistungen der Pflegeversicherung werden regelmäßig angepasst. Seit dem 1. Januar 2025 sind die Beträge um 4,5 % gestiegen. Besonders wichtig: Der Entlastungsbetrag liegt nun bei 131 € pro Monat und steht allen Pflegegraden von 1 bis 5 zu.

Zusätzlich gibt es seit dem 1. Juli 2025 einen gemeinsamen Jahresbetrag für Verhinderungs- und Kurzzeitpflege. Damit können Pflegebedürftige flexibler entscheiden, ob sie Ersatzpflege im Krankheitsfall von Angehörigen oder eine zeitweise stationäre Kurzzeitpflege in Anspruch nehmen möchten.

Leistungen im Überblick (ambulant, Stand 2025)
Leistung* PG 1 PG 2 PG 3 PG 4 PG 5
Pflegegeld 347 € 599 € 800 € 990 €
Pflegesachleistungen 796 € 1.497 € 1.859 € 2.299 €
Entlastungsbetrag 131 € 131 € 131 € 131 € 131 €

Quelle: Bundesministerium für Gesundheit (Stand: Juli 2025)

Verteilung der Pflegebedürftigen nach Pflegegraden

Wie viele Menschen haben welchen Pflegegrad? Die folgenden Zahlen zeigen die Verteilung zum Jahresende 2023 und 2024. Deutlich wird: Pflegegrad 2 macht mit rund 40 % den größten Anteil aus, Pflegegrad 1 wächst leicht, während Pflegegrad 5 nur einen kleinen Teil betrifft.

Pflegegrad Anzahl 31.12.2023 Anteil % 2023 Anzahl 31.12.2024 Anteil % 2024
PG 1 782.159 14,90% 863.672 15,30%
PG 2 2.089.717 39,90% 2.242.671 39,80%
PG 3 1.517.531 29,00% 1.651.659 29,30%
PG 4 616.863 11,80% 649.436 11,50%
PG 5 230.316 4,40% 235.108 4,20%
Gesamt 5.236.586 100% 5.642.546 100%
Quelle: Bundesgesundheitsministerium, Zahlen & Fakten Pflegeversicherung (Stand: 31.12.2024)

Die Pflegestufen 1, 2 und 3 gehören der Vergangenheit an – heute verwenden wir die Pflegegrade 1 bis 5. Das System ist gerechter, weil es nicht nur körperliche, sondern auch geistige Einschränkungen berücksichtigt. Die Leistungen sind vielfältig: vom Pflegegeld über Pflegesachleistungen bis zum Entlastungsbetrag. Die aktuelle Verteilung zeigt, dass die meisten Pflegebedürftigen in Pflegegrad 2 oder 3 eingestuft sind. Wichtig ist, regelmäßig zu prüfen, ob der Pflegegrad noch passt und bei Bedarf eine Höherstufung zu beantragen.

Pflegegeld, Pflegesachleistungen und Kombinationsleistungen

Wichtig zu verstehen: Pflegegeld und Pflegesachleistungen sind zwei unterschiedliche Leistungsarten. Es gibt nicht beide Beträge in voller Höhe gleichzeitig. Man muss sich grundsätzlich entscheiden, ob man ausschließlich Pflegegeld (bei Pflege durch Angehörige oder Freunde) oder ausschließlich Pflegesachleistungen (bei Pflege durch einen ambulanten Pflegedienst) in Anspruch nimmt.

Eine Mischform ist jedoch möglich: die sogenannte Kombinationsleistung. Dabei wird ein Teil des Anspruchs für Pflegesachleistungen genutzt, und der nicht verbrauchte Anteil wird prozentual als Pflegegeld ausgezahlt. Beispiel: Wird 60 % des Pflegesachleistungsbudgets ausgeschöpft, so werden noch 40 % des Pflegegeldes ausgezahlt. Die Pflegekasse rechnet dies monatlich und taggenau ab.

Beispiel 1: Pflegegrad 3 (Pflegegeld 599 €, Pflegesachleistungen 1.497 €)

  • Wird 50 % des Sachleistungsbudgets genutzt (= 748,50 €), bleiben 50 % Pflegegeld übrig.
  • Das bedeutet: 299,50 € Pflegegeld werden zusätzlich ausgezahlt.

Beispiel 2: Pflegegrad 3

  • Wird 70 % des Sachleistungsbudgets genutzt (= 1.047,90 €), bleiben 30 % Pflegegeld übrig.
  • Das bedeutet: 179,70 € Pflegegeld werden zusätzlich ausgezahlt.

Diese Flexibilität ist besonders sinnvoll für Familien, die teils auf professionelle Unterstützung angewiesen sind, aber dennoch auch selbst Pflege übernehmen wollen.

Damit die Leistungen der Pflegekasse ausgeschöpft werden können, benötigen wir von unseren Kunden einige wichtige Unterlagen. Dazu gehören der Antrag auf Umstellung auf Kombinationsleistungen, die Leistungsplanung mit Kostenvoranschlag sowie der Pflegevertrag (Vertrag über ambulante pflegerische Leistungen).
Im Pflegevertrag ist genau festgelegt, welche Leistungen in welchem Umfang und zu welchen Kosten erbracht werden. Er bildet die verbindliche Grundlage der Zusammenarbeit zwischen Pflegedienst und Pflegebedürftigem und dient zugleich als Basis für die Abrechnung mit der Pflegekasse. Wir unterstützen Sie gerne bei Fragen zu den vorgenannten Themen.

Aktuelle politische Diskussion: Abschaffung von Pflegegrad 1?

Während die Pflegegrade seit 2017 als fester Bestandteil der Pflegeversicherung etabliert sind, gibt es aktuell politische Überlegungen, das System erneut zu verändern. Teile der Bundesregierung haben im Sommer 2025 vorgeschlagen, den Pflegegrad 1 abzuschaffen.

Die Begründung: Pflegegrad 1 wurde ursprünglich eingeführt, um Menschen mit leichten Beeinträchtigungen zu unterstützen. Kritiker bemängeln jedoch, dass der Leistungsumfang (insbesondere der Entlastungsbetrag von monatlich 131 €) vergleichsweise gering sei und der Verwaltungsaufwand in keinem Verhältnis dazu stehe. Stattdessen sollen Betroffene künftig stärker durch kommunale Unterstützungsangebote oder präventive Maßnahmen entlastet werden.

Befürworter sehen darin eine Möglichkeit, die Pflegeversicherung finanziell zu stabilisieren. Gegner hingegen warnen, dass gerade viele alleinlebende Senioren von den kleinen Hilfen aus Pflegegrad 1 profitieren – etwa für Alltagshilfen, Betreuung oder niedrigschwellige Entlastungsangebote.

Ob und wann die Reform tatsächlich umgesetzt wird, ist derzeit noch offen. Klar ist jedoch: Die Diskussion zeigt, dass die Pflegeversicherung auch in Zukunft im Mittelpunkt politischer Entscheidungen stehen wird und Betroffene wie Angehörige genau hinschauen sollten, welche Änderungen auf sie zukommen.
Quelle: Bundesministerium für Gesundheit, Tagesschau.de, Pflegenetzwerke & Fachportale (Stand: September 2025)

Im Raum stehende Anpassungen oder Einschnitte bei Pflegegrad 1 werden mit Blick auf das drohende Finanzloch in der Pflegeversicherung vorwiegend mit dem Ressort der Bundesgesundheitsministerin Nina Warken in Verbindung gebracht. Aber auch aus den Verbänden und der Wirtschaft wird der Vorstoß der Unionsparteien teilweise befürwortet.
So hat Bernd Meurer – Präsident des Bundesverbands privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) -bei dem Ihr Team 24 Pflegedienst GmbH Mitglied ist- gesagt: “….. Wir sehen knappe finanzielle Ressourcen und eine massiv steigende Zahl an Pflegebedürftigen. Da ist es genau richtig, darüber nachzudenken, wie zielgenauer die Betroffenen mit hohen Versorgungsbedarfen unterstützt werden können. Die Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern wäre aber sicherlich höher, wenn erst die großen Baustellen angegangen und die versicherungsfremden Leistungen aus der Pflegeversicherung herausgenommen werden…“ (www.bpa.de)  Von SPD Fraktionschef Matthias Miersch und weiten teilem der Fraktionwurde die Abschaffung von Pflegegrad 1 bisher kategorisch abgelehnt. (tagesschau.de)