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Beschluss des Deutschen Bundestags am 06.11.2025

Kurz erklärt

Der Deutsche Bundestag hat am 06. November 2025 das Gesetz zur Befugniserweiterung und Entbürokratisierung in der Pflege beschlossen. Ziel ist, Pflegefachpersonen mit klaren Kompetenzen auszustatten und Bürokratie spürbar zu reduzieren. Für die häusliche Pflege und Betreuung zuhause (inklusive sogenannter 24‑Stunden‑Betreuung) sind das gute Nachrichten – wenn die neuen Regelungen sauber umgesetzt werden.

Was ändert sich konkret?

Die wichtigsten Punkte aus dem beschlossenen Gesetz mit Blick auf die Umsetzung im Alltag:

  • Die Eigenverantwortung für Pflegefachpersonen wird erweitert. Pflegefachpersonen dürfen – je nach Qualifikation und Vereinbarung – bestimmte Leistungen eigenverantwortlich erbringen. Das betrifft u. a. Aufgaben in den Bereichen Diabetes-Management, chronische Wunden und Demenz.
  • Ein Pflegedienst kann im Rahmen der Häuslichen Krankenpflege (HKP) nach § 37 SGB V das Wundmanagement inkl. Verbandwechsel nach festgelegtem Standard übernehmen, ohne für jeden Schritt erneut eine ärztliche Einzelanordnung einholen zu müssen. Es wird im Pflegeberufegesetz ausdrücklich verankert, dass Pflegefachpersonen im Rahmen ihrer erworbenen Kompetenzen Heilkunde ausüben dürfen. Damit wird die bereits gelebte Praxis aus vielen Modellprojekten rechtlich klarer gefasst.
  • Eine speziell qualifizierte Pflegefachperson kann in Zukunft nach einem vorher mit Kassen und Ärzteschaft vereinbarten Schema die Insulindosis selbst anpassen. Natürlich nicht nach Gefühl, sondern streng nach Protokoll. Jede Anpassung muss dokumentiert werden und der Arzt/die Ärztin ist zu informieren, sobald festgelegte Grenzwerte oder Ereignisse (z. B. Hypoglykämie) eintreten.
  • Nach einer Erstverordnung durch die Ärztin oder den Arzt kann der Pflegedienst die HKP-Folgeverordnung für eine fortlaufende Maßnahme veranlassen, damit keine Versorgungslücken entstehen. Der Pflegedienst kann zum Beispiel Duschhocker, Haltegriffe, Gehstütze initiieren, die die Ärzte nur noch bestätigen.

Neue bzw. ergänzte Regelungen in SGB V / SGB XI
In Deutschland gibt es zwei „Töpfe“:
SGB V = Gesetzliche Krankenversicherung (Krankenkasse) – zahlt medizinisch notwendige Leistungen, z. B. häusliche Krankenpflege (HKP), Wundversorgung, Verbände, Insulininjektionen, Hilfsmittel auf Rezept.
SGB XI = Pflegeversicherung (Pflegekasse) – zahlt Leistungen rund um Pflegebedürftigkeit, z. B. Pflegesachleistungen, Pflegegeld, Entlastungsbetrag (125 €), Entlastungsbudget (bis 3.539 € pro Jahr).

Was ist neu beim SGB V (Krankenkasse)?
Pflegefachpersonen erhalten – je nach Qualifikation und regionalen Verträgen – klarere Befugnisse. Bestimmte ärztliche Aufgaben dürfen sie eigenverantwortlich übernehmen.

Was bedeutet das fürs SGB XI (Pflegekasse)?
Die Pflegeversicherung bleibt der Ansprechpartner für Pflege und Entlastung im Alltag. Neu ist hier vor allem die bessere Verzahnung zwischen Medizinern und ambulanten Fachkräften. Klarere Zuständigkeiten reduzieren Doppelarbeit und Bürokratie.

Wo ist der Vorteil für die Pflegebedürftigen und deren Familien?
Wenn Pflegefachpersonen Folgeverordnungen rechtzeitig anstoßen dürfen, entstehen weniger Versorgungslücken zu Hause.
Die Pflegedokumentation wird auf das erforderliche Maß reduziert. Doppelte Dokumentationen werden vermieden. Statt umfangreicher Mehrfachformulare reichen künftig zusammengefasste Nachweise – die Pflegefachperson verbringt mehr Zeit am Menschen, weniger Zeit am Schreibtisch.

Auswirkungen auf die häusliche Betreuung – was ändert sich spürbar?

HKP ohne Versorgungslücke: Bei laufenden Maßnahmen (z. B. Wundmanagement, Insulingabe) können Pflegedienste – sofern regionale Verträge stehen – Folgeverordnungen rechtzeitig veranlassen.

Weniger „Zettel‑Stau“: Kürzere Wege zwischen Arztpraxis, Kasse und Pflegedienst bedeuten stabilere Abläufe zu Hause.

Weniger Termin‑Hopping, geringere Ausfallrisiken, planbare Betreuung.

Alltagsbegleitung, Haushalt, soziale Teilhabe bleiben beim Betreuungsteam (Live‑in/Haushaltshilfe). Betreuung ≠ Pflege.

Medizinisch‑pflegerische Maßnahmen (HKP) übernimmt das examinierte Fachpersonal des zugelassenen Pflegedienstes.

Durch klare Kompetenzverteilung sinkt das Risiko, dass Betreuungskräfte unzulässige Pflegeaufgaben übernehmen.

Definierte Standards bringen mehr Sicherheit

  • Eigenverantwortliche Leistungen sind an nachweisbare Fortbildungen/Kompetenzen geknüpft.
  • Pflegedienste schärfen ihre Standards (SOP wie z. B. für Wundschemata, Diabetes‑Abläufe, Notfallprotokolle).
  • Weniger Doppeldokumentation, dafür klare Verlaufs‑ und Ergebnisdokumentation.
  • Routine‑Folgeverordnungen (HKP, Hilfsmittel) können teils durch die Pflege angestoßen werden. Die Ärztin/der Arzt bestätigt lediglich noch.
  • Ärztliche Therapieziele, pflegerische Umsetzung bilden eine Linie. So kommt es zu weniger Missverständnissen.
  • Entscheidungen kommen näher an den Patienten – dort, wo der Bedarf entsteht.
  • Pflegefachpersonen können den Bedarf frühzeitig benennen (z. B. Kompressionsstrümpfe, Duschhocker, Lagerungshilfen); Ärztinnen/Ärzte bestätigen.
  • Frühe Anpassungen im Haushalt senken Risiken für Sturz, Wund‑ und Dekubitusbildung. Richtige Prävention verhindert Folgeschäden.

Auswirkungen auf Kosten & Abrechnung

HKP bleibt Leistung der Krankenkasse (mit gesetzlicher Zuzahlung/Befreiung). Betreuung/Haushalt weiterhin privat bzw. über SGB XI (Pflegesachleistungen, Entlastungsbetrag, Entlastungsbudget).

Klare Trennung der Leistungsarten und Kostenträger verhindert Fehlabrechnungen.

Entfall von unnötigen Dokumentationen und Arztbesuchen spart Kosten.

Konsequenzen für häusliche Betreuungskräfte (Live‑in, „24 Stunden Kräfte“)

  • Keine Pflege „durch die Hintertür“: Live‑in‑Kräfte dürfen keine Heilkunde ausüben. Das neue Gesetz verstärkt diese Trennung.
  • Wenn Pflegeaufgaben beim Pflegedienst bleiben, sind Betreuungskräfte und Familien rechtlich geschützt. Ein klarer Rahmen sorgt für saubere Abläufe.
  • Ein klarer, rechtssicherer Rahmen sorgt für faire Bedingungen.

Durch neue Kompetenzen wird die Rolle des Pflegedienstes gestärkt und gleichzeitig klarer abgegrenzt. Pflegefachkräfte dürfen mehr Aufgaben eigenverantwortlich übernehmen. Das schützt Familien, Betreuungskräfte und Pflegedienste gleichermaßen vor rechtlichen Grauzonen. (Hierüber haben wir bereits an anderer Stelle berichtet)
Wer eine Betreuungskraft illegal beschäftigt, trägt weiterhin das Risiko, als Arbeitgeber zu gelten – inklusive möglicher Nachzahlungen von Sozialversicherungsbeiträgen, Bußgeldern oder Strafverfahren.

Warum bringt die Zusammenarbeit mit einem Pflegedienst Sicherheit?

  • Betreuungskräfte werden korrekt bezahlt und versichert.
  • Familien müssen keine arbeitsrechtlichen oder steuerlichen Risiken tragen.
  • Die Versorgung bleibt kontinuierlich und überprüfbar.

Pflege und Betreuung ergänzen sich – aber nur sauber getrennt und gut koordiniert funktioniert häusliche Versorgung dauerhaft sicher.

Chancen für Ihr Team 24 Pflegedienst – und für die Familien

Ziel der Reform ist, Versorgungslücken zu vermeiden – durch kontinuierliche Betreuung, klare Zuständigkeiten und abgestimmte Abläufe. Die Qualitäts- und Dokumentationsvorgaben werden geschärft statt aufgebläht. Wo der Rahmen eindeutig ist, kann schneller, rechtssicher und näher am Menschen entschieden werden.

Ab wann gilt das alles und was ist noch offen?

Der Bundestag hat das Gesetz am 06.11.2025 beschlossen. Es tritt nach Verkündung in Kraft. Einige Regelungen – insbesondere die neuen Vertragsoptionen nach § 73d SGB V – erfordern Umsetzungsverträge mit den Kassen. Die konkrete Nutzung in der Fläche hängt daher von regionalen Vereinbarungen ab. Wir halten Sie hierzu auf dem Laufenden.

Unser Fazit

Fachverbände und Medien begrüßen die Richtung, weisen aber auf viele offene Fragen hin: Welche Leistungen werden wirklich vertraglich vereinbart? Was kommt vom versprochenen Bürokratieabbau im Alltag an? Und wie schnell werden die neuen Spielräume in der Häuslichkeit spürbar?

Die Reform schafft den Rahmen. Entscheidend für den Erfolg wird die Umsetzung vor Ort sein.

Quellen / weiterführende Informationen

Deutscher Bundestag: „Pflegekompetenzgesetz und Sparpaket verabschiedet“ (06.11.2025)

Bundestags-Drucksache 21/1511 (Gesetzentwurf): Entwurf eines Gesetzes zur Befugniserweiterung und Entbürokratisierung in der Pflege

Begleitende Berichte: ZEITn‑tvt‑online