Zum Hauptinhalt springen

Wer pflegebedürftig ist und Leistungen der Pflegekasse in Anspruch nehmen möchte, kommt um ihn nicht herum: den Besuch des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK, heute meist MD genannt). Spätestens wenn der Brief ins Haus flattert – „Ihr Termin zur Begutachtung findet am … statt“ – stellen sich viele Fragen: Wie läuft das ab? Worauf muss ich achten? Und was kann ich im Vorfeld tun, um eine faire Einstufung zu bekommen?

Was ist der MD überhaupt?

Der Medizinische Dienst (MD) ist eine unabhängige, öffentlich-rechtliche Institution, die die gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen in medizinischen und pflegerischen Fragen unterstützt. Er arbeitet nicht für Pflegedienste oder Ärzte, sondern ausschließlich im Auftrag der Pflegekassen.

Seine Hauptaufgabe bei der Pflegegradeinstufung:

  • den tatsächlichen Unterstützungsbedarf einer Person objektiv zu ermitteln,
  • Empfehlungen zur Einstufung in einen Pflegegrad auszusprechen,
  • und eine fundierte Grundlage für die Entscheidung der Pflegekasse zu schaffen.

Wichtig: Der MD trifft keine Entscheidung über den Pflegegrad – das tut ausschließlich die Pflegekasse.

Wer arbeitet für den MD?

Die Gutachterinnen und Gutachter des MD sind qualifizierte Fachkräfte mit fundierter Berufserfahrung. Es handelt sich in der Regel um:

  • examinierte Pflegefachkräfte mit Zusatzausbildung zur Gutachtertätigkeit,
  • Ärztinnen und Ärzte mit Erfahrung in Geriatrie oder Allgemeinmedizin,
  • teilweise Therapeut:innen bei speziellen Fragestellungen.

Diese Fachkräfte verfügen meist über viele Jahre Erfahrung in der direkten Patientenversorgung und sind geschult, Alltagskompetenzen realistisch und strukturiert zu bewerten.

Wie werden die Gutachter ausgewählt und qualifiziert?

Um als Gutachter:in für den MD tätig zu sein, gelten klare Anforderungen:

  • Abgeschlossene medizinische oder pflegerische Ausbildung
  • Mehrjährige Berufspraxis
  • Spezialisierte Schulungen nach den Begutachtungsrichtlinien des GKV-Spitzenverbandes
  • Regelmäßige Fortbildungen und Qualitätsprüfungen

Die Auswahl und Schulung erfolgen über den jeweiligen Landes-MD, der die Qualität überwacht.

Wer trägt die Verantwortung?

  • Pflegekassen: Tragen die rechtliche Verantwortung und entscheiden über den Pflegegrad.
  • MD: Erstellt das Gutachten.
  • Landes-MD: Verantwortlich für Organisation, Auswahl und Qualitätssicherung.

Wenn Betroffene mit der Entscheidung nicht einverstanden sind, können sie Widerspruch bei der Pflegekasse einlegen. Diese prüft dann erneut.

1. Ruhe bewahren – der MD kommt nicht als Kontrolle

Erstmal: keine Panik. Der Besuch ist keine Hausdurchsuchung und auch keine Prüfung, ob man „würdig“ ist, Leistungen zu erhalten. Ziel ist es, den tatsächlichen Unterstützungsbedarf realistisch einzuschätzen.

2. Was passiert beim Termin?

Ein Gutachter oder eine Gutachterin besucht die pflegebedürftige Person zuhause. Dabei werden Fragen gestellt und Situationen beobachtet – z. B. bei Körperpflege, Mobilität oder Alltagsgestaltung. Im Hintergrund läuft ein Punktesystem: Je mehr Einschränkungen nachgewiesen sind, desto höher fällt der Pflegegrad aus.

3. Vorbereitung ist das A und O

Praktische Tipps:

  • Pflegeprotokoll führen: Notieren Sie über einen Zeitraum von mehreren Tagen oder Wochen, bei welchen Tätigkeiten und in welchem Umfang Unterstützung benötigt wird. Dazu gehören z. B. Hilfe beim Aufstehen, Waschen, Anziehen, Toilettengänge, Essenszubereitung oder Medikamenteneinnahme. Ein solches Protokoll hilft dem Gutachter, den tatsächlichen Hilfebedarf realistisch einzuschätzen – auch wenn dieser am Begutachtungstag nicht vollständig sichtbar ist.
  • Hilfsmittel sichtbar nutzen: Viele Betroffene neigen dazu, Gehhilfen oder andere Hilfsmittel für den Besuch „wegzuräumen“, um selbstständiger zu wirken. Tun Sie das nicht. Rollatoren, Gehstöcke, Pflegebetten oder Toilettenhilfen sollten am Begutachtungstag ganz selbstverständlich genutzt und sichtbar sein, da sie den Grad der Einschränkung verdeutlichen.
  • Alltag realistisch zeigen: Versuchen Sie nicht, am Begutachtungstag „besonders fit“ zu wirken. Zeigen Sie die Situation so, wie sie im normalen Alltag ist – auch wenn das bedeutet, Schwächen oder Probleme offen zu legen. Gerade Angehörige oder Pflegekräfte können dabei helfen, typische Tagesabläufe realistisch darzustellen.
  • Arztberichte und Medikamentenpläne bereithalten: Legen Sie aktuelle medizinische Unterlagen, Krankenhaus- oder Reha-Entlassungsberichte sowie Medikamentenpläne bereit. Diese Unterlagen stützen die Schilderungen und erleichtern dem Gutachter eine objektive Einschätzung.
  • Pflegedienst oder Betreuungsperson einbinden: Pflegekräfte oder Betreuungspersonen erleben den Alltag unmittelbar und können wichtige Zusatzinformationen geben, die der Gutachter allein nicht erheben kann. Idealerweise ist jemand vom Pflegedienst beim Termin anwesend, um Fragen fachlich korrekt beantworten und den tatsächlichen Pflegebedarf erläutern zu können.

In den allermeisten Fällen verfügen die Gutachterinnen und Gutachter über ausreichend Erfahrung, um auch hinter einer kurzfristig „guten Tagesform“ die tatsächliche Pflegebedürftigkeit realistisch einschätzen zu können. Dennoch ist es wichtig, den Alltag unverfälscht zu zeigen und keine Hilfebedarfe zu verharmlosen.

5. Typische Stolperfallen

Im Begutachtungsverfahren gibt es einige typische Situationen, die dazu führen können, dass der tatsächliche Hilfebedarf unterschätzt wird. Wer diese Stolperfallen kennt, kann sie bewusst vermeiden:

  • Gute Tagesform: Viele Menschen erleben am Tag der Begutachtung zufällig einen „guten Tag“. Wer an diesem Tag wacher, mobiler oder konzentrierter ist als üblich, läuft Gefahr, dass der Gutachter die Gesamtsituation zu positiv einschätzt. Deshalb ist es wichtig, auch die schlechten oder durchschnittlichen Tage offen anzusprechen und Einschränkungen realistisch zu schildern.
  • „Sich von der besten Seite zeigen“: Pflegebedürftige möchten bei einem offiziellen Termin oft besonders selbstständig wirken. Aus Stolz, Gewohnheit oder dem Wunsch, nicht als hilfsbedürftig zu erscheinen, wird vieles beschönigt oder zusätzliche Hilfe bewusst zurückgewiesen. Dieses Verhalten ist menschlich verständlich, kann aber dazu führen, dass wichtige Einschränkungen nicht erkannt oder falsch gewichtet werden.
  • Bescheidenheit: Viele Betroffene neigen aus Scham oder dem Gefühl, niemandem „zur Last fallen“ zu wollen, dazu, ihren Unterstützungsbedarf herunterzuspielen. Sätze wie „Das mache ich schon irgendwie“ oder „Ich will niemandem Umstände machen“ führen jedoch schnell zu einer falschen Einschätzung. Es geht nicht um Jammern, sondern um eine ehrliche Beschreibung der alltäglichen Herausforderungen.
  • Unklare oder unvollständige Angaben: Wenn bestimmte Einschränkungen nicht angesprochen werden oder Situationen verharmlost dargestellt sind, kann der MD-Gutachter sie nicht berücksichtigen. Eine gute Vorbereitung mit Pflegeprotokollen, Arztberichten und Unterstützung durch Angehörige oder den Pflegedienst hilft, nichts zu übersehen.

Wer diese Punkte berücksichtigt, trägt entscheidend dazu bei, dass die Einstufung fair und passend zum tatsächlichen Hilfebedarf erfolgt.

6. Keine Angst vor Widerspruch

Wird ein zu niedriger Pflegegrad festgestellt oder der Antrag ganz abgelehnt, lohnt es sich in vielen Fällen, Widerspruch gegen den Bescheid der Pflegekasse einzulegen. Fehleinschätzungen kommen vor – sei es durch eine unglückliche Begutachtungssituation, unvollständige Angaben oder fehlende Unterlagen. Neue medizinische Unterlagen oder ein aktueller Arztbericht können die Entscheidung oft zugunsten der Pflegebedürftigen verändern.

So gehen Sie richtig vor:

  1. Frist beachten: Der Widerspruch muss innerhalb eines Monats nach Zugang des Bescheids bei der Pflegekasse eingehen (§ 84 SGG).
  2. Form: Der Widerspruch kann formlos schriftlich erfolgen – ein kurzer Brief oder eine E-Mail genügt. Wichtig ist, dass klar erkennbar ist, gegen welchen Bescheid (Datum, Aktenzeichen) der Widerspruch gerichtet ist.
  3. Begründung nachreichen: Es reicht zunächst ein kurzer Satz wie: „Hiermit lege ich fristgerecht Widerspruch gegen den Bescheid vom [Datum] ein. Eine ausführliche Begründung folgt.“ Anschließend können Arztberichte, Pflegedienstprotokolle oder andere Nachweise nachgereicht werden.
  4. Erneute Begutachtung: Im Widerspruchsverfahren wird in der Regel eine zweite Begutachtung durch den MD veranlasst – häufig durch eine andere Gutachterin oder einen anderen Gutachter.

Unser Fazit:

Der Besuch des MD muss kein Stressfaktor sein. Mit guter Vorbereitung, ehrlichen Angaben und vollständigen Unterlagen kann die Begutachtung sachlich und reibungslos verlaufen. Je klarer der tatsächliche Hilfebedarf sichtbar wird, desto gerechter fällt die Einstufung aus.
Bei Fragen rund um Pflegegrade und Begutachtungen sind wir gerne Ihr Ansprechpartner.
Ihr Team 24 Pflegedienst verfügt über erfahrene Fachkräfte aus Pflege, Sozialrecht und Verwaltung. Wir unterstützen Sie gerne bei Fragen zur Einstufung, zu Pflegegraden, zur Vorbereitung auf Begutachtungen sowie zur Einordnung von Bescheiden und Gutachten.